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Noch einmal Kind sein

Generationen von Schülern freuen sich seit jeher auf ein paar wenige ganz spezielle Tage in ihrer Laufbahn am Gymnasium: die Mottowoche. Eine Woche, die für die Sekundarstufe II das Anfang vom Ende darstellt. Hat man sie erreicht, weiß man, dass zwölf lange Jahre vorbei gehen – endlich, wie es die meisten sehen. Und trotzdem werden fast alle Abiturienten ein weinendes Auge wohl nicht leugnen können.

Für den aktuellen 12er Jahrgang war es vergangene Woche so weit. Wie wohl alle Abgänger vor uns, wollten auch wir die buntesten, spannendsten und individuellsten Mottotage veranstalten, die das Hildebrand-Gymnasium je gesehen hatte. Ob wir das geschafft haben? Natürlich! „Natürlich nicht!“, sagen alle Ehemaligen. Aber eine Mottowoche ohne die Themen Geschlechtertausch und Kindheitshelden, hätte ihren Namen wohl auch nicht verdient. Fast schon Tradition ist es geworden, Jungs in Kleidern, Mädchen mit Bärten, Schneewitchen und Super Mario durch die Gänge der Schule laufen zu sehen. Eine echte Neuheit war allerdings auch bei uns dabei. Über hundert schwarz Gekleidete mit weißen Masken stießen jedoch nicht bei allen Lehrern auf Sympathie. Sogar wertvolle Bildung wurde vom Leerkörper einigen Anonymen vorenthalten, 90 minütiges Schweigen statt Unterricht – pädagogisch wertvoll in der Abiturvorbereitung.

Kein Spaß für jedermann

Auch wenn es zart besaiteten Lehrern vielleicht noch zu verzeihen ist, einem schwarzen Block den Unterricht zu verwehren, wundert man sich durchaus über die generelle Abneigung mancher Tutoren gegenüber den Mottotagen. Einem abwertenden Kopfschütteln und offensichtlich schlechter Laune kann man nur ebenso mit einem Griff vor die Stirn begegnen. Dass es viele Gegenbeispiele gibt, sollte allerdings auch nicht verschwiegen werden. Begeistert vom Einfallsreichtum unseres Jahrgangs bestanden einige Lehrer auf ein gemeinsames Gruppenbild, banden unsere Verkleidungen in ihren Unterricht ein.

Wie so oft war am Ende der Woche wieder alles schneller vorbei, als es einem lieb ist. Zwölf Jahre liegen nun hinter uns. Unwillkürlich wird man in Anbetracht des Endes eines solch langen Lebensabschnittes wehmütig. Nicht wegen stressigen Klausurenphasen, unangekündigten Arbeiten oder dem allmorgendlichen Kampf, sich selbst aus dem Bett zu quälen, sondern wegen der Menschen, mit denen man all dies erleben durfte. Ungewiss, wie viel Kontakt man nach dem Abitur noch mit den Freunden hat, die man nun teilweise über ein Jahrzehnt lang fast jeden Tag gesehen hat. Und so bildete die Mottowoche einen passenden Rahmen um das Erlebte. Noch einmal Kind sein, bevor von einem erwartet wird, auf eigenen Füßen zu stehen.

 

Leon Heyde

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